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23.04.2024

Witziges und Berührendes in Heggbach

HEGGBACH – Beim gemeinsamen Poetry Slam haben Profis und Menschen mit Behinderung in Heggbach Witziges und Berührendes auf die Bühne gebracht. Der Auftritt war der Abschluss von zwei Workshops, die Pauline Füg und Tobias Heyel von „großraumdichten“ in Heggbach leiteten.

Auf der Heggbacher Bühne genießen alle Poetry Slammer gemeinsam den verdienten Applaus. Foto: Andrea Reck/St. Elisabeth-Stiftung

Elfchen schreiben war am ersten Nachmittag die Aufgabe, die Pauline Füg, Psychologin, Slammerin und Autorin aus Fürth, zusammen mit dem Stuttgarter Poetry Slammer und Fotografen Tobias Heyel den vier Teilnehmenden gestellt hatte. Aus elf Worten bestehende Fünfzeiler mit einem prägnanten Schlusswort zu texten, fiel etwa Jessi Müller, die in Heggbach wohnt und arbeitet, ganz leicht, sie produzierte jede Menge Elfchen mit witziger Pointe. Aufgabe des zweiten Nachmittags eine Woche später ist es, auf Blättern mit vorbereiteten Satzanfängen kurze Geschichten zu schreiben. „Es gibt hier kein richtig oder falsch“, ermuntert Heyel die vier Kreativen.

Einen sehr ernsten Text bringt Helmut Nemitz, der in einer Wohngruppe in Biberach wohnt, zu Papier. Er berichtet über Gewaltanwendung in seiner Kindheit als Heimkind. Seitdem bekämpfe er Ungerechtigkeit, wo immer sie geschehe. So schreibt er in seinem Text etwa: „Oft mache ich mir Gedanken, wie kann man Frieden stiften ohne Waffen – mit guten Worten“. Sabine Mößlang, die derzeit im Biberacher Rosa-Bauer-Haus der St. Elisabeth-Stiftung wohnt, schreibt einen Text aus der Sicht ihres orangefarbenen Rollstuhls und über einen Urlaub an der Adria.

Johanna Kronwitter aus Heggbach, die sich extra Urlaub genommen hat in der Werkstatt, besitzt zwar einen Computer mit Augensteuerung, aber sie kann den Text nur mit Hilfe der Kommunikationspädagogin Sandra Münst schreiben, mit der sie sich wöchentlich trifft. Diese tippt den Text schließlich in Kronwitters Tablet mit Sprachausgabe ein. Es geht um Kronwitters schöne Kindheit, und ihren Wunsch in einer Stadt zu leben.

In der Abschlussrunde mit den Workshop-Leitenden und dem Organisator, dem Heilpädagogen Maximilian Klein vom Freizeitbereich des Heggbacher Wohnverbunds der St. Elisabeth-Stiftung, loben alle den Kurs. Sabine Mößlang fiebert schon dem Abend entgegen; „Ich finde es toll, dass wir Rollis und Läufer in einer Gemeinschaft zusammen mit den Poetry Slammern auf der Bühne sein werden. Der Kurs hat super Spaß gemacht“.

Und schon geht’s rüber zur Generalprobe in den Festsaal. Pauline Füg gibt auf der Bühne Tipps gegen Lampenfieber, etwa mit Atemübungen. Alle können ihre Texte erstmals ins Mikro sprechen. Um 18 Uhr sind die Stuhlreihen gut gefüllt. Bei der Begrüßung betont Maximilian Klein, dass die Veranstaltung nur dank Unterstützung der Aktion Mensch stattfinden kann.

Den Anfang machen Pauline Füg und Tobias Heyel, die seit 20 Jahren zusammen auftreten, mit einer kurzen Einführung in die Regeln des modernen Dichterwettkampfs. So müssen etwa die Texte beim Poetry Slam selbst geschrieben und innerhalb von fünf Minuten vorgetragen sein. Ihr Beitrag behandelt das Thema Inklusion. Jessy Müller trägt einige ihrer Elfchen vor, sowie die Geschichte von Katze Minka. Aus Biberach angereist ist trotz Abi-Stress Leia Weiß, die sehr gekonnt „Mit dir will ich in die Welt“, einen Text über das Ende einer Beziehung vorträgt. Sabine Mößlang begeistert mit ihrer Ode an den Rollstuhl und ihren Urlaubs-Erinnerungen. Sie hängt noch ein paar Elfchen an, bevor Applaus aufbrandet. Es folgt Madlenka Merk aus Biberach, Siegerin des BaWü U20 Poetry Slam in Biberach im letzten Jahr. Sie thematisiert sehr lustig ein missglücktes Landwirtschaftspraktikum in der Schweiz.  Nun besiegt Johanna Kronwitter ihr Lampenfieber und startet die Texte auf ihrem Tablet. Auch sie erhält viel Applaus für den berührenden Text. Vielleicht besonders für die eine Zeile: „Unterschätzt mich nicht!“. Auch Slammerin Lena Stokoff beeindruckt mit ihrem sehr persönlichen Text über ihre Erfahrungen als Studentin aus einer nicht akademischen Familie in Aalen. Einen donnernden Schlusspunkt setzt Helmut Nemitz mit seiner Warnung vor Gewittern und seinem Friedensappell.

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